Internet: Meinungsfreiheit und gläserner Nutzer

Meinungsfreiheit im Internet – Ausblick auf die Diskussionen und Änderungen der Rechtslage 2021. Im Gespräch mit Thomas Friese, Immobilienexperte aus Oldenburg und Berlin – von Valentin Schulte, Volkswirt und Student.

Weniger als neun Prozent der Menschen sind Amerikaner, trotzdem beherrschen vier amerikanische Konzerne (Apple, Facebook, Google und Amazon) mehr als 80 Prozent des weltweiten Datenverkehrs via Internets. Das Internet dient bekanntlich nicht nur zum Austausch von Waren und Leistungen, sondern hat sich über soziale Plattformen inzwischen zum Meinungsmacher und Weltgestalter aufgeschwungen. Heutzutage kann davon ausgegangen werden, dass CEOs und Eigentümer dieser Unternehmen auf derselben Stufe wie Präsidenten und Staatenlenker sind. Wie können eine Gesellschaft und ein Staat darauf reagieren? Im Gespräch mit Thomas Friese, Immobilienexperte aus Oldenburg in Niedersachsen.

In Deutschland gilt deutsches Recht?

In Deutschland gilt deutsches Recht. Aber Moment einmal, das deutsche Recht gilt offenbar nicht, wenn wir uns die andere Ebene der Realität außerhalb der Offline-Welt ansehen. Die Rede ist von der Online-Existenz, die inzwischen ein Paralleluniversum darstellt. Hier gilt das deutsche Recht offensichtlich nur partiell. Wie wäre es sonst möglich, dass offensichtlich rechtswidrige Inhalte wie Pornografie (rechtswidrig nach §§ 4,5 Jugendmedienschutz-Staatsvertrag) für Kinder unter 18 Jahren frei zugänglich sind. Normalerweise würden den Verantwortlichen hier Bußgelder von bis zu 500.000€ drohen, die bei deutschen Unternehmen und Websites mit ordentlichem Impressum auch rigoros durchgesetzt werden. Ausländischen Unternehmen, die deutschem Publikum solche Inhalte frei zugänglich machen drohen kaum Sanktionen. Sobald bei einer Website keine ladungsfähige deutsche Adresse und kein Vertreter angegeben ist, stößt der Rechtsstaat schnell an seine Grenzen und schließt den Vorgang mit einer Einstellung der Ermittlungen ab.

Internet: Gläserner Nutzer?

Dieses augenfällige Beispiel zeigt, dass der Staat im Wesentlichen die Herrschaft über das Internet verloren hat. Dies gilt auch für die amerikanischen Konzerne, die wohl mal aus gutem Willen auf deutsche Ermittlungsbehörden eingehen, im Grunde nach jedoch ihre eigenen Entscheidungen treffen. Die beherrschenden sozialen Netzwerke sind Werbeplattformen in Gestalt von Kommunikationsdiensten. Ihr Geschäftsmodell, sei es von Google oder Facebook, besteht darin, datenbasiert und durch geschicktes Programmieren personenbezogene Werbung zu verkaufen. Die Nutzer zahlen nicht mit Geld, sondern mit ihren Daten. Dieses kapitalistische System wird allerdings nicht durch den Nutzer, sondern durch die Werbetreibenden finanziert. Es ist nachvollziehbar, dass die Internetunternehmen sich nun den Werbetreibenden näher als den Nutzern fühlen und ein großes Interesse an der perfekten Werbung haben. Dieses ist jedoch schwierig mit Datenschutzbedenken der Europäischen Union und generell den Datenschutzrechten der Nutzer in Einklang zu bringen. Der gläserne Nutzer ist gut fürs Geschäft.

Austausch in Internet Foren

Zugleich sind die Foren, wie z. B. Twitter, Facebook und andere, zum Austausch von Gedanken und Ideen weltweit geworden. Das deutsche Recht kennt Regeln zur Werbung, wie z. B. zum Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb und meinungsrelevante Kommunikation, die insbesondere durch das Recht der Meinungsfreiheit und das Journalistenprivileg geschützt ist. Die öffentliche Diskussion kennt daher online und offline gewisse Grenzen. Diese Grenzen müssen nicht unbedingt mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der führenden Meinungsplattformen übereinstimmen. Hier geht es nicht so sehr um das rechtlich korrekte Miteinander zum Austausch von Meinungen und Tatsachen, sondern um das Einhegen im Interesse der Werbekunden.

Schutz vor unlauterem Wettbewerb

Auch das deutsche Gesetz zum Schutze vor unlauterem Wettbewerb wirkt nur mittelbar auf das Internet ein. Nach der juristischen Definition gilt für Medien Intermediäre, das sind Betreiber von sozialen Netzwerken, das Telemedienrecht und der Medienstaatsvertrag. Medien Intermediäre unterstehen der Kontrolle der Landesmedienanstalten. Unmittelbar kann bei einem Rechtsverstoß nicht gegen den eigentlichen Verbreiter vorgegangen werden. Zuerst muss der Täter identifiziert werden. Wäre das nicht möglich oder unzumutbar, könnte man Maßnahmen gegen den Internetzugangsanbieter des Nutzers ergreifen. Die Medienanstalt müsste also gegebenenfalls dem Provider anordnen, die Inhalte zu entfernen. Gegen die Entscheidung der Landesmedienanstalt ist eine Klage vor Gericht möglich. Darüber hinaus ist eine direkte Beschwerde bei dem Internetmedien möglich, die dann auch gerichtlich kontrolliert wird. Die Provider berufen sich allerdings auf die eigene Vertragsfreiheit und handeln im Sinne der eigenen Kunden. In der Folge werden Internetportale nur in äußerst seltenen Fällen durch den Provider abgeschaltet

Meinungsbildung und Verschwörungstheorien

“In den sozialen Netzwerken werden “Fakten” geschaffen, die Journalisten und Bürger verzweifeln lassen. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass es vielen Menschen nicht darauf ankommt, ob eine Aussage von einem in diesem Bereich habilitierten Professor oder von einem eher unkundigen Menschen kommt. Verschwörungstheorien und anderen alternative Fakten kommen die sozialen Netzwerke zu Gute, da hier schnell, einfach und (meist) kostenlos eine große Masse an Menschen erreicht werden kann”, gibt Thomas Friese kritisch zu bedenken.

“Allerdings ist hierbei zu beachten, dass es in Deutschland ein verfassungsmäßig garantiertes Recht auf freie Meinungsäußerungen gibt. Inwiefern Meinungsäußerungen strafbar sind sollte durch Gerichte festgestellt werden. Es ist niemanden geholfen, wenn private Unternehmen hier Konten sperren und somit eine Art von Selbstjustiz üben”, ist der Autor überzeugt.

Ausblick

In diesem Jahr erwarten wir die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Fall der III. Weg. Hier wurde das Facebook Profil einer Partei aufgrund von Hassrede nach den eigenen Standards von Facebook gelöscht. Facebook ist somit im eigenen Machtbereich zeitgleich Kläger und Richter. Dies möchte die Partei nicht akzeptieren und zieht vor das Bundesverfassungsgericht.

Der Gesetzgeber reagiert langsam auf die neuen Herausforderungen. Hier kann beispielsweise das novellierte Netzwerkdurchsetzungsgesetz genannt werden, welches Anbieter verpflichtet, Nutzern Löschungen und Sperrungen auf der Basis von Nutzungsbedingungen zu erläutern. Das Bundesverfassungsgericht hat im Übrigen entschieden, dass soziale Netzwerke als private Unternehmen wegen ihrer besonderen Machtstellung zumindest mittelbar, d. h. nicht direkt, wie der Staat – aber mittelbar an die Einhaltung und Bachtung der verfassungsmäßigen Grundrechte Deutschlands gebunden sind. Der Entwurf des europäischen „Digital Services Acts“ von Mitte Dezember 2020 vollzieht das nach und will Internet Mediäre zur Wahrung der verfassungsrechtlichen Gewährleistungen zwingen.

 

V.i.S.d.P.:

Valentin Markus Schulte
Volkswirt, stud. iur

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